Summer Science Slam 2025 Bewerbung

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Im Februar 2025 hat Tim sich für den Summer Science Slam 2025 der VolkswagenStiftung beworben. Der Slam wurde angenommen und ist hier zu finden: ...

Freies Wissen - Warum Wissenschaft und Wikipedia nicht demokratisch sind

Zusammenfassung

Deutschland ist eine Demokratie. Das heißt, viele Menschen stimmen gemeinsam ab, um Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden. Für diese Beteiligung benötigten sie Wissen, weshalb wir Wissenschaft (-skommunikation) und Medien haben, die Wissen in die Breite tragen. Seit über 20 Jahren ist der wohl wichtigste Pfeiler dieses Breitenwissens "Wikipedia".

Wikipedia ist keine Demokratie.

Dieser Slam zeigt, was Demokratie besonders gut kann, und wo ihre Schwächen liegen. Er zeigt auf, warum Wikipedia nicht demokratisch, sondern meritokratisch ist, und warum auch dieses System nicht fehlerfrei ist. Gerade mit Blick auf X, ehemals Twitter, und Bemühungen, Wikipedia ebenfalls aufzukaufen, wird die Bedeutung dieses Themas für unsere Demokratie deutlich. Mit Blick darauf, dass Wissenschaft unabhängig Wissen schafft – bis der Wissenschaftsfreiheitsindex in den Keller geht – wird auch die Betrachtung dieses Aspekts immer wichtiger.

All diese Probleme sind alltäglich, fast jeder von uns hat schon einmal Wikipedia benutzt, nutzt Social Media und profitiert von Wissenschaft. Dieser Slam zeigt kurz und knapp, wo die Stärken und Schwächen dieser Systeme sind, wie wir Wissen finden und teilen können, und was wir für unseren eigenen Anteil an der Demokratie daraus lernen können.

Freies Wissen für die Demokratie

Demokratie lebt von informierten Entscheidungen. Doch Informationen sind nicht einfach nur da – sie müssen gesammelt, aufbereitet und vermittelt werden. Und inmitten dieser Informationsflut sind viele falsche Informationen. Um hier den Überblick zu behalten, spielen Wissenschaftskommunikation, Medien und Plattformen wie Wikipedia eine zentrale Rolle.

Wikipedia ist keine Demokratie

Wissenschaft und Wikipedia haben eins gemeinsam: Selbst wenn die Mehrheit wollen würden, dass eine falsche Information als wahr verkauft wird, würden beide Systeme das nicht tun. Denn nicht die Demokratie entscheidet, was wahr ist, sondern ``Evidenz, also z.B. Experimente und Beobachtungen. In der Wissenschaft kontrollieren andere Wissenschaftler, ob diese Experimente und Beobachtungen stimmen könnten oder ob Fehler übersehen wurden. In Wikipedia ist das ähnlich: Erfahrene Wikipedianer prüfen, ob alle Standards für Quellen und Belege eingehalten werden.

Damit ist Wikipedia kein "demokratisches" system, sondern ein "meritokratisches": Wer viel beiträgt, wer sich auskennt, wer sich engagiert, gewinnt an Einfluss. Das hat Vorteile: Expertise zählt mehr als bloße Meinung. Qualität setzt sich oft durch. Natürlich sind weder Wikipedia noch die Wissenschaft fehlerfrei: Falsche Entscheidungen werden getroffen, und manchmal müssen Fehler nachträglich aufbereitet werden. Darum sind beiden Systemen eines so wichtig: Offenheit. Bei Wikipedia passiert alles offen für alle nachlesbar, jede Wahl jedes Amtes seit Beginn der Wikipedia, jede Diskussion zu jedem Artikel kann jeder jederzeit nachlesen.

Diese Offenheit, in der Wissenschaft "Open Science", ist ein transparentes Gütesiegel. Sie ist auch ein Privileg.

Wissen und Freiheit sind teuer: Freies Wissen.

Nicht nur Wikipedia beeinflusst, welches Wissen uns erreicht. Auch Social Media, Nachrichtenplattformen und Unternehmen prägen unsere Informationswelt. Doch hier gibt es noch größere Probleme:

  • X (ehemals Twitter) wurde aufgekauft und ist stärker denn je Quelle für Missinformation.
  • Elon Musk äußerte Interesse daran, Wikipedia zu kaufen – was wäre, wenn eine Person mit wirtschaftlichen Interessen über (noch) eine der größten Wissensplattformen bestimmt?
  • Facebook hat Fact-Checking-Programme reduziert – weniger Kontrolle bedeutet mehr Falschinformationen.

Wissen ist nicht von Natur aus frei, wir müssen es wieder und wieder befreien. Je weniger unabhängige Instanzen es gibt, desto größer ist die Gefahr, dass Informationen manipuliert wird und unser Verständnis von Wissen verzerrt wird. Wissenschaft, Wikipedia, Medien, unser gesellschaftlicher Konsens lebt davon, dass Quellen sich gegenseitig kontrollieren.

Was können wir tun?

Wir sind nicht machtlos. Wikipedia ist eine Sammlung von Wissen, geprägt von denen, die daran mitarbeiten. Ganz ähnlich der Demokratie können nur die Stimmen gehört werden, die sich aktiv einbringen. Gleich der Wissenschaft hat sie Ansprüche, wann aus einer Information Wissen wird.

Unabhängige Quellen schützen und schätzen. Wikipedia und Wissenschaft sind nicht perfekt, aber sie sind bis jetzt das beste, was wir haben.

Schon Winston Churchill hat gesagt:

Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.
– Winston Churchill, übersetzt von Hans Vorländer (laut Wikiquote[1]) 

Weder Churchill noch Vorländer schreiben dir vor, was du für richtig halten sollst. Weder Wikipedia noch Wissenschaft können garantieren, dass Wissen von heute keine Fehler enthält. Weder Demokratie noch Meritokratie sind fehlerfrei. Doch all diese Dinge, all diese Instanzen, diese Bollwerke gegen Desinformation, all diese zusammen sind freies Wissen. Nicht eine Quelle, der wir vertrauen müssen, sondern eine Vielfalt von Quellen, aus deren Gesamtheit sich Konsens herausbildet.

Denn am Ende gilt: Demokratie funktioniert nur mit Wissen – und Wissen funktioniert nur, wenn es zugänglich, überprüfbar und vielfältig ist. Und darum gilt, auch für diese Basis des Wissens, für die Wissenschaft:

Wissenschaft ist keine Demokratie.
Nicht eine Mehrheit beschließt, was die stärkste Evidenz sein soll, sondern die stärkste Evidenz versammelt eine Mehrheit hinter sich.
– Mai Thi Nguyen-Kim[2]

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.